Gestohlen wird trotzdem
Wir sind am Ende der Welt angekommen. Oder zumindest an einem Ende im Bundesstaat Quintana Roo im Biospärenreservat Sian Ka’an, im letzten Ort der Landzunge, Punta Allen.
Hierher verirrt sich zwar ab und an mal ein Tourist, aber es sind immer noch sehr wenige, auf die wir hier treffen. Ein italienisches Paar und eine französische Familie genießen, genauso wie wir, die entspannte Atmosphäre am Strand unter Palmen mit reichlich Kokosnüssen.
“Desconectate” heißt das Wlan-Passwort und genauso funktioniert es auch. “Va y viene” hat sie gesagt - es kommt und geht, meinte die junge Frau, die uns nach einer 5 1/2-stündigen Anreise freundlich empfangen hat.
Die Straße, oder besser gesagt der holprige Weg, mitten durch den Jungel nach Punta Allen erinnert mich an ein Fahrgeschäft in einem kleinen Vergnügungspark von Ortobello in Italien. Auf und ab, raus aus einem Schlagloch, rein ins Nächste. Für 42 Kilometer brauchten wir 3 Stunden. Durchhaltevermögen war gefragt, sowohl bei den Kindern, als auch bei uns. Und die Idee uns zwischendurch immer wieder umzusetzen, uns die Zeit mit Essen zu zerschlagen und auf die gewohnten Richtlinien, wie Anschnallen und nicht während der Fahrt zu turnen, zu verzichten.
Wie das halt so läuft im Leben. “Die schwierigsten Bedingungen führen dich manchmal zu den schönsten Ergebnissen.”
Und die Strecke an sich sowie das Ergebnis, angekommen im Glamping-Spot Cielo y Selva, ist definitiv ein Schönes. Wir übernachten in einem komfortablen Zelt und können - egal ob beim Toilettengang oder beim Duschen - durch die Palmen aufs Meer blicken. Die Ruhe, die Natur, die zahlreichen Tiere wie Salamander, Leguane, Gürteltiere, Meereskakerlaken, Krabben, allerlei bunte Fische, Schildkröten und Delfine sind der wahre Luxus.
TROTZDEM WIRD innerhalb der “familie” GESTOHLEN
Charlo, 44 Jahre, ist hier vor 3 Jahren gelandet und liebt die Zurückgezogenheit. 500-550 Einwohner zählt das Dorf. Sie kennen sich alle, fast wie eine große Familie. Aber gestohlen wird trotzdem, auch wenn ich mir das nur schwer vorstellen kann, sagt Charlo, dass schon mal der gefüllte Benzinkanister fehlt, wenn du ihn Nachts draußen stehen lässt. Und auch wenn du weißt, wer es gewesen ist, machst du keine große Sache daraus und lässt der Harmonie wegen, die Dinge so auf sich beruhen.
Die Dinge manchmal auf sich beruhen lassen: wenn das, nicht dauerhaft deine Werte verletzt, dann würde diese Haltung wesentlich mehr Frieden auf Erden bringen. Sofern du nicht im Unfrieden mit dir selbst bist, sondern mit dem Vorgefallenen gut umgehen, der Situation sogar etwas Positives abgewinnen kannst, dann kann ein Nachgeben schon sehr befreiend sein.
Heute Morgen auf meiner Toilette mit Blick aufs Meer dachte ich: “Das Ende der Welt fühlt sich wirklich gut an!”